Karl-Heinz Weck feiert 2020 das 50-jährige Bestehen seiner Jagd- und Naturschule.
Im Interview zieht er Bilanz über die Ausbildung in den fünf Jahrzehnten und macht sich Gedanken über Jäger und Jagd
Ihre Jagd- und Naturschule feiert in diesem Jahr das 50-jährige Bestehen. Was bedeutet das für Sie persönlich?
KARL-HEINZ WECK: Ich konnte mein Lebenswerk in diesen 50 Jahren aufbauen, eine Jagd- und Naturschule, die in der Jägerschaft einen guten Ruf genießt. Es wäre aber überheblich, wenn ich mir diese Verdienste allein zuschreiben wollte. Maßgeblich dazu beigetragen haben über einen langen Zeitraum auch hervorragende Dozenten, wie Mark Graf von Pückler im Jagd- und Waffenrecht, Dr. Albrecht von Braunschweig im Fachgebiet Wildkrankheiten und Wildbrethygiene oder Dr. Georg Bernd Weis, Experte für Landbau, Wildhege und Biotoppflege, um nur ein paar zu nennen.
Erinnern Sie sich noch an Ihre allererste Unterrichtsstunde?
KARL-HEINZ WECK: An die erste Stunde direkt nicht, aber an den anfänglichen Unterricht allgemein. Mein erster Lehrgang fand im Nebenraum einer Bahnhofsgaststätte statt. Wenn ich mich recht erinnere, waren es über 40 Lehrgangsteilnehmer. Ich war nervös, trotz guter Vorbereitung und hatte unbeschreibliches Lampenfieber. Vor den Prüfungen schlief ich schlecht und mein Magen hat rebelliert (lacht).
War das damals Ihr Ziel bzw. Berufswunsch, Jäger auszubilden?
KARL-HEINZ WECK: Mein Berufswunsch war es keineswegs. Eines Tages – ich war damals beim Forst beschäftigt – wurde ich von meinem Chef zu einem Gespräch einbestellt. Mit dabei war damals auch der Kreisjägermeister. Die beiden Herren kamen auch gleich zur Sache und erklärten mir, dass der Ausbilder für den Jungjäger-Lehrgang im Raum Bühl erkrankt wäre. Eine Genesung bis zum anberaumten Prüfungstermin sei nicht zu erwarten. Man habe sich schon um Ersatz bemüht, aber ohne Erfolg. Die beiden brachten eine Menge Argumente vor, warum ich der Richtige dafür wäre und nach drei Tagen Bedenkzeit stimmte ich schließlich zögerlich zu – und auch nur für diesen einen Lehrgang.
Wenn Sie den Unterricht von damals und heute vergleichen, was hat sich im Wesentlichen geändert?
KARL-HEINZ WECK: Wir hatten damals ein einziges Lehrbuch, nämlich „Vor und nach der Jägerprüfung“ von Herbert Krebs und ein Mini-Skript, das ich in der Kürze der Zeit erstellen konnte. Trotzdem haben alle Prüflinge, die angetreten sind, die Prüfung auch erfolgreich abgeschlossen. Heute haben wir in Baden-Württemberg per Gesetz „Leitlinien“, an die sich Ausbilder und Prüfer zu halten haben – das heißt: Nur was in den Leitlinien vorgeschrieben ist, muss unterrichtet werden und darf von den Prüfern auch abgefragt werden. Unsere Schule ist zertifiziert und es gibt eine Vielzahl von Anschauungs- und Unterrichtsmaterialien – nicht mehr nur in Papierform, sondern auch digital. Der Beamer ist heute aus dem Unterricht nicht mehr wegzudenken.
In den fünf Jahrzehnten haben Sie bestimmt eine Menge Jäger ausgebildet, haben Sie eine konkrete Zahl, wie viele es waren?
Noch ein Blick auf die Kursteilnehmer: Wer interessiert sich heute für die Jagd und gibt es Unterschiede in der Motivation, warum in den 1970er-Jahren jemand die Jägerprüfung ablegen wollte und warum heute, 2020, jemand Jäger werden möchte?
KARL-HEINZ WECK: Die Jagd verliert ständig an Professionalität, trotz immer umfangreicherer theoretischer Ausbildung. Meines Erachtens nach fehlen die jagdlichen Leitfiguren, die früher für eine bessere jagdpraktische Grundlage sorgten. Personen, die früher Jäger werden wollten, hatten ein größeres Naturverständnis und einen direkteren Bezug zu Natur, Wald und Wild. Sie sind z.B. auf dem Land aufgewachsen oder hatten mit der Land- oder Forstwirtschaft direkt oder indirekt zu tun. Heute kommt die Mehrzahl der angehenden Jäger aus der Stadt. Sie müssen viele einfache Dinge erst lernen, z.B. was ist ein Dompfaff, wie kann man eine Fichte von einer Tanne unterscheiden, ist ein Rehbock der Sohn vom Rothirsch u.v.m. Bei der heutigen Jägerausbildung ist ein breites Grundwissen gefragt. Bei der anschließenden Umsetzung von der Theorie in die Praxis fehlen die erfahrenen Praktiker.
Woher, denken Sie, kommt der Trend, dass heute viele von Haus aus nicht mit der Natur verbundenen Menschen Jäger werden wollen?
KARL-HEINZ WECK: Immer mehr Menschen zieht es aus den unterschiedlichsten Gründen vom Land in die Stadt. Einige davon suchen bei immer mehr Freizeit auch neue Herausforderungen und entdecken die Faszination, die Natur zu erleben. Denken Sie nur an die Modeerscheinung vom sogenannten „Waldbaden“. Und wiederum andere sammeln abgelegte Rehkitze ein und meinen einen Beitrag zum Tierschutz geleistet zu haben. Aktuell kommt es mir bei einige männlichen Jungjäger so vor, als möchten sie sich ein neues Event verschaffen, bei dem sich neu zugelegten „Hobby Jagd“, einfach dabei zu sein. Das Streifen von Raubwild und das Herrichten der Jagdtrophäen oder das küchenfertige Zerwirken und Zerlegen von Wildbret spielt für sie eher eine untergeordnete Rolle.
Und bei den Frauen ist das ähnlich?
Wie sieht es mit dem Frauenanteil aus?
Sie bieten ja auch reine Frauenkursen an, ist das von den Teilnehmerinnen so gewollt?
KARL-HEINZ WECK: Ich finde es gut, dass Frauen die Jägerprüfung machen und dass sie sich auch in eine der letzten Männerdomänen einbringen. Der Umgangston unter den Jägern ist dadurch besser geworden, das kann ich klar sagen. Und was ich an ihnen besonders schätze, sie lassen oftmals den Finger beim Jagen gerade und verzichten auf Beute. Bei der Jagdausübung bevorzugen sie lieber den Ansitz statt einer Treibjagd und nur, wenn sie sich ihrer Sache sicher sind, tragen sie auch mal einen gezielten Schuss an. Die Motivation, dass Frauen die Jagd ausüben, sehe ich vorwiegend darin, im Erleben und Beobachten in einer intakten Natur.
Wie alt sind die Kursteilnehmer im Schnitt?
Wie sieht es mit der Jugend aus?
KARL-HEINZ WECK: Für die Jugend bieten wir spezielle Schülerkurse an, die auf die Ferien zugeschnitten sind. Unsere jüngste Kursteilnehmerin war 13 Jahre alt (Anm. damals gab es noch kein Mindestalter, heute müssen Bewerberinnen oder Bewerber bei der schriftlichen Jägerprüfung 15 Jahre alt sein). Den ältesten Teilnehmer, den wir auf die Jägerprüfung vorbereiten durften, war im Prüfungsjahr 77 Jahre.
Sie bieten auch noch andere Lehrgänge an, welche sind das?
Was hat Sie selbst in jungen Jahren motiviert, das Weidwerk zu erlernen.
Welchen Stellenwert hat die Jagd heute in Ihrem Leben?
KARL-HEINZ WECK: Die Jagd war und ist meine Lebensaufgabe. Fünfzig Jahre durfte ich die Jagd- und Naturschule „Weck“ leiten. Tausende haben in dieser Zeit unsere Schule besucht in Aus- und Weiterbildungskursen, als Jäger oder in Seminaren für Naturinteressierte. Neben der Lehrtätigkeit hatte ich auch ständig die Möglichkeit, die Theorie mit der Praxis zu verbinden. Verschiedene Hoch- und Niederwildreviere betreute ich in dieser Zeit eigenverantwortlich. In den letzten 13 Jahren stand der Schule sogar ein eigenes Lehrrevier im jetzigen Nationalpark „Nördlicher Schwarzwald“ zur Verfügung, ein wunderschönes Waldrevier mit seltenen Tierarten, wie dem Auerwild, Rotwild, Schwarzspecht, Sperlingskauz, Rauhfußkauz usw. Es war genau das richtige für ein Lehrrevier. Darüber hinaus war es mir vergönnt, in vielen Länder der Erde das Jagen zu erleben, so im südlichen Afrika bei den Buschmännern oder bei den Samen im Hohen Norden. Die fremden Kulturen mit ihren grandiosen Tierwelten und der einzigartigen Pflanzenwelt kennenzulernen, war eine ganz neue Erfahrung. Unzählige Erlebnisse und neue Erkenntnisse konnte ich mit nach Hause nehmen. Dadurch bekam ich einen völlig anderen Blick für die heimische Natur. Es ist mir bewusster geworden, dass der Mensch nur die stabilen Überhänge der freilebenden Wildarten nutzen darf, nach dem Motto „so rücksichtsvoll wie möglich, so nachhaltig wie nötig“.
Nämlich?
KARL-HEINZ WECK: Bei den Buschmännern konnte ich erleben, wie sparsam und schonend sie mit ihren kargen Ressourcen umgehen. Mir ist aufgefallen, dass sie hauptsächlich junge Tiere erbeuten, weil diese einerseits noch unerfahren und andererseits diese Altersklasse am meisten vertreten war. Dadurch werden besonders bei langlebigen Tierarten, die gesunde und vitale Zuwachsträger weitgehend geschont. Für mich war es damals ein sehr prägendes Erlebnis und ist bis heute eine wichtige Erkenntnis. Im Gegensatz zu vielen Jägern, die in Europa immer noch Fasanen, Rebhühner, Feldhasen und Co. bejagen, obwohl schon längst kein ausreichender reproduzierender Grundbesatz vorhanden ist. Oder die Art und Weise, wie wir mit dem
Schwarzwild umgehen. Bejagen die Keiler in der Hauptrauschzeit, obwohl rauschige Stücke nicht verwertbar sind.